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Pressemitteilung

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Thema "Lissabon-Vertrag"

Der Lissabon-Vertrag ist aus politischen Gründen abzulehnen

Kassel, 30. Juni 2009



Zum Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erklärt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel:

Das Urteil des BVerfG war zu erwarten. Zu Recht wird darin der Kerngehalt des Art. 23 GG als Norm herangezogen, wonach die Bundesrepublik Souveränitätsrechte auf einen übergeordnete "Staatenverbund" übertragen kann - ohne selbst auf staatliche Souveränität verzichten zu müssen. Welche Implikationen die vom BVerfG erlassenen Bedingungen für das Subsidiaritätsprinzip sowie die Gesetzgebung und Rechtsprechung des Bundes haben wird, bleibt dahin gestellt.



Die Friedensbewegung hat sich in ihrer Kritik am EU-Verfassungsvertrag bzw. am Lissabon-Vertrag nie von juristischen Gesichtspunkten leiten lassen. Vielmehr lehnen wir den sog. "Reformvertrag" aus politischen Gründen ab. Dabei bleibt es auch. Wenn Unions- und SPD-Politiker das Urteil bejubeln und meinen, damit sei jede weitere Kritik am Lissabon-Vertrag hinfällig, lügen sie sich selbst in die Tasche und anderen die Hucke voll.


Man kann sehr wohl den Vertrag ablehnen, und zwar aus folgenden friedens- und demokratiepolitischen Gründen:


1) Der Lissabon-Vertrag ist zu 95 Prozent identisch mit dem bei zwei Referenden gescheiterten EU-Verfassungsvertrag. Es ist demokratiepolitisch mehr als bedenklich, einen abgelehnten Vertrag unter einem neuen Label noch einmal ratifizieren zu lassen.


2) Keine Verfassung der Welt enthält eine Bestimmung, wonach sich ein Staat zur Aufrüstung verpflichten würde. Der Lissabon-Vertrag, der ja für die EU Verfassungscharakter hat, sieht eine solche Aufrüstungsverpflichtung vor.


3) Zahlreiche weitere Bestimmungen des Lissabon-Vertrags sehen eine Militarisierung der EU vor; etwa die Einrichtung einer Rüstungsagentur ("Verteidigungsagentur"), die Festlegung der EU-Mitglieder auf militärischen Beistand bei terroristischen Angriffen, die Begründung einer Europäischen Verteidigungsunion, also eines militärischen Beistandspakts und die Möglichkeit weltweiter militärischer Interventionen (u.a. "Frieden erzwingende Einsätze").


4) Besonders zu kritisieren ist, dass das Europäische Parlament ausgerechnet in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, wenn es also buchstäblich "um Krieg oder Frieden" geht, keinerlei Entscheidungskompetenz besitzt. Und auch der Europäische Gerichtshof kann in diesem Politikfeld nicht angerufen werden.


Das Bundesverfassungsgericht hat sich lediglich mit der Frage der Vereinbarkeit von Lissabon-Vertrag und Grundgesetz befasst. Es hat weder über die Friedensverträglichkeit, noch über die Umweltverträglichkeit oder die Sozialverträglichkeit des Verfassungswerks zu entscheiden gehabt. "Weder Europa noch die Welt brauchen eine neue Militärunion", sagte der Sprecher des "Friedensratschlags". Zu einem solchen Europa sagt die Friedensbewegung eindeutig JA, der Militarisierung der EU verweigert sie aber weiterhin jede Zustimmung.


Für den Bundesausschuss Friedensratschlag: Peter Strutynski (Sprecher)


Bei Rückfragen: P. Strutynski: ()


Unsere Empfehlung: Besuchen Sie die friedenspolitische Website der AG Friedensforschung, http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden


Mit dem Dossier zum EU-Reformvertrag: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Europa/verf/Welcome.html

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