Pressemitteilung
Stop TTIP: Rede der ÖDP-Bundesvorsitzenden Gabriela Schimmer-Göresz anlässlich der Stop TTIP-Demo am 18.4.2015
Rede Gabriela Schimmer-Göresz, ÖDP, 18.04.15 Demo Stop TTIP, Odeonsplatz in München
Liebe TTIP-Gegner und solche, die es noch werden wollen,
ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können. Danke, dass Sie so lange ausgeharrt haben. Sie stärken die Hoffnung, dass sich Menschen noch bewegen lassen und sich gegen Unrecht und Unterwerfung stemmen.
Hier sind nicht die Amerika-Hasser, die Chlorhühnchen-Spießer, die Hysteriker oder Blockierer. Hier sind Bürgerinnen und Bürger, die sich für Fairness und gegen Ausgrenzung einsetzen. Hier harren seit Stunden die aus, die die Reste unserer Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit schützen.
Wenn Angela Merkel und Sigmar Gabriel den Bürgerdialog suchen, dann hätten sie heute nach München kommen sollen. Sie hätten hautnah erleben können, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt.
Einmal angenommen, es gäbe in den USA keine Chlorhühner, keinen Genmais und keine Hormonfütterung.
Angenommen, die Schiedsstellen für Streitigkeiten zwischen Konzernen und Staaten wären vom Tisch.
Angenommen, die sozialstaatlichen Traditionen Europas und die hohen Standards z.B. beim Umwelt- und Verbraucherschutz erschienen den Verantwortlichen in den USA nicht als unheimlich, sondern würden dort mehr und mehr akzeptiert.
Müsste man dann nicht für die Freihandelsabkommen TTIP & Co. sein?
Nein, selbst dann nicht. Denn auf zwei gewaltige Weltprobleme unserer Zeit liefern die Freihandelsabkommen keine Antworten.
1. Mit dem weit verbreiteten Elend in vielen Ländern darf man sich nicht mehr abfinden. Dort muss ein menschenwürdiger Zustand erreicht werden. An diesem Ziel hat sich die Weltwirtschaft zu orientieren.
2. Gleichzeitig muss die Ressourcenverschwendung gestoppt werden, die den Planeten aufzehrt. Um diese beiden Probleme kümmern sich die aktuellen Freihandelsabkommen nicht. Im Gegenteil: Freihandelsabkommen sind nicht die Lösung, sie sind das Problem!
Ziel der Abkommen ist es, die weltweit größten ökonomischen Systeme (EU und Nordamerika) weiterhin auf Ressourcenverbrauch einzuschwören und den Abstand zu den armen Ländern noch zu erweitern.
Genau besehen geht es sogar um Ausgrenzung der Armen, wenn die Reichen gemeinsame Sache machen. Papst Franziskus hat die Dinge auf den Punkt gebracht: „Eine Wirtschaft die ausgrenzt, ist eine Wirtschaft die tötet.“ Wir brauchen Abkommen zum Welthandel. Aber die Ziele müssen völlig anders gesetzt werden.“ 2011 sprach Prof. Radermacher, ein bekannter Globalisierungskritiker, Gründungsmitglied des Club of Rome, über die Zukunft der Weltwirtschaft. Er stellte im Wesentlichen zwei Alternativen vor, die uns als Menschheit noch zur Verfügung stehen: „Balanced World“ mit Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern, Ökologisierung der Wirtschaft, Ökologisierung der Landwirtschaft, Ressourcenschonung etc. einerseits oder „Brasilianisierung“, d.h. Auseinanderdriften der Gesellschaft, kleine superreiche Oberschicht, verarmte Unterschicht, rücksichtslose Ausbeutung der Natur andererseits.“
Dies ist nicht mehr nur eine theoretische Vorstellung. Das ist an vielen Stellen der Welt Realität und Grund für das Verlassen von Heimat, für Migration, für das Sterben auf dem Mittelmeer und anderswo. Wir müssen nicht unsere Asylgesetze anpassen, wir müssen Wirtschaft fair, sozial, ökologisch und demokratisch gestalten.
Nach Rademacher sprach 2011 der Präsident des Niedersächsischen Landvolk-Landesbauern-verbandes, Hilse. Er sagte: „Ich glaube nicht an Utopien, ich stelle mich auf die Brasiliani-sierung ein. Man muss dann aber auch bereit sein, sein Eigentum mit der Waffe in der Hand gegen die Unterschicht zu verteidigen. “
Liebe Leute, dieses Welt- und Menschenbild teilen wir hoffentlich nicht und daher müssen wir alles dafür tun, dass die Freihandelsabkommen gestoppt werden.
Wirtschaftsminister Gabriel behauptet TTIP schaffte Frieden: welch ein Irrtum! Gabriel meint weiter: „Wenn wir das hier falsch machen, werden uns unsere Kinder verfluchen.“ Liebe Leute, unsere Kinder werden uns verfluchen, wenn wir keinen Ausweg aus der Leitkultur der Verschwen-dung finden, wenn wir nicht aufhören, um des lieben Profits und der Gier willen, diesen Planeten, von dem wir nur einen haben, zu ruinieren.
Wir brauchen Alternativen zum Freihandel, wir wollen frei und selbstbestimmt handeln und wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf, Verantwortung zu übernehmen für alle Menschen und nicht ein Klima zu schaffen, das einige wenige multinationale Konzerne und deren Aktionäre zu Gewinnern und den Rest den Menschheit zu Verlierern macht.
Ich habe dieser Tage ein hervorragendes Interview mit Jean Ziegler, dem Schweizer Soziologen und Globalisierungskritiker gelesen. Er ist bekannt für seine unmissverständlichen Ansagen.
Er sagt, wir leben in einer kannibalischen Weltordnung, die sich durch zwei Dinge auszeichnet: eine unglaubliche Monopolisierung von politischer, ökonomischer und ideologischer Macht in Händen weniger.
Für ihn ist Gerechtigkeit eine Frage des Gewissens.
Auch wenn die Menschen sich ohnmächtig fühlen. Eines stimmt: Diese absurde Weltordnung ist von Menschen gemacht, also kann sie von Menschen auch gestürzt werden.
Die Alternative muss eine Weltordnung sein, die demokratisch, sozial, ökologisch und friedlich ist. Also das Gegenteil von TTIP & Co.
Kosmetische Veränderungen am Vertragswerk lehnen wir ab. Wir fordern den STOPP der Ver-handlungen und eine Hinwendung zum Alternativen Handelsmandat mit der klaren Richtung:
Mensch und Planet zuerst
oder wie es bei der ÖDP heißt:
Mensch vor Wirtschaft!