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Diskussionsrunde zum Thema Rassismus
Anlässlich der zahlreichen rassistischen Gewalttaten der vergangenen Monate – sowohl in den USA als auch in Deutschland – haben wir von der JÖ München beschlossen, uns einmal näher mit Rassismus auseinanderzusetzen. Da die meisten von uns damit bisher kaum bis gar nicht in Berührung gekommen sind, haben wir uns externe Expertise geholt. Unser Experte war Martin Lorenz. Er ist Sänger, Tänzer und Coach aus Berlin und hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Rassismus beschäftig, auch, weil er leider selbst davon betroffen ist.
Als Vorbereitung durften wir einen Ausschnitt aus dem Buch „Exit Racism“¹ von Tupoka Ogette lesen. Es ging hierbei um die Entstehung von Rassismus, der seinen Ursprung in der Kolonialzeit hat. Um die Versklavung von meist afrikanischen Menschen ideologisch zu rechtfertigen wurden sogenannte Rassenlehren aufgestellt. Es gab nach diesen Rassenlehren verschiedene „Rassen“, die anhand von äußerlichen Merkmalen wie Hautfarbe oder Haaren festgelegt wurden. Diesen „Rassen“ wurden zudem verschiedene charakterliche Eigenschaften zugeschrieben, aufgrund derer manche „Rassen“ als überlegen wurden. Die „weiße Rasse“ wurde als die von Natur aus die am meisten entwickelte „Rasse“ angesehen und alle anderen dementsprechend minderwertiger. Daraus schlossen die Rassenideologen, zu denen beispielsweise auch der Philosoph Immanuel Kant gehörte, dass weiße² Menschen das Recht besäßen, anderen Menschen zu versklaven und auszubeuten.
Diese Rassentheorien haben sich seit dem 18. Jahrhundert in allen Bereichen der Gesellschaft eingenistet. Auch wenn sie mittlerweile in der Wissenschaft als widerlegt gelten und für weiße Menschen meistens nicht mehr erkennbar sind, erfahren aber BIPoCs³ nach wie vor oftmals täglich die Folgen davon, in Form von Alltagsrassismus. Ein Beispiel dafür kann die Frage sein „Wo kommst du her?“ sein, die BIPoCs ständig gestellt werden. Martin erklärt uns, dass diese Frage an sich erst einmal kein Problem darstellt, aber in vielen Fällen problematisch sein kann: „Wenn mich Leute fragen, wo ich herkomme, dann sag ich, Berlin. Aber dann kommt halt meistens der Satz: „Ne, ne, das meine ich nicht. Wo kommst du wirklich her, wo sind deine Wurzeln?“. Das ist für BIPoCs häufig verletzend, da somit suggeriert wird, dass sie nicht als Deutsche wahrgenommen werden, auch wenn sie in Deutschland geboren, aufgewachsen und sozialisiert sind und mit der Kultur ihrer Vorfahren, die nicht aus Deutschland kommen wenig bis gar nichts zu tun haben.
Ein häufiges Problem bei Diskussionen über Rassismus ist, dass eine Handlung erst dann als rassistisch wahrgenommen wird, wenn sie auch rassistisch gemeint ist. Viele Menschen, die zu Rassismus forschen plädieren daher dafür, mehr auf die Auswirkung einer Handlung zu achten als auf die Absicht dahinter. Das wird gerne an folgendem Beispiel erklärt: „Wenn ich einem Menschen über den Fuß fahre, dann ist es für dessen Schmerz unerheblich, ob ich das mit Absicht gemacht habe.“ Zudem wird Rassismus gerade in Deutschland mit einer schweren moralischen Schuld in Verbindung gebracht. Dieses Schuldempfinden hindert Menschen dann häufig daran, sich mit der eigenen rassistischen Sozialisation auseinanderzusetzen, da sie sich nicht mit erdrückendem Schuldgefühl auseinandersetzen wollen. Daher sollte das Schuldkonzept in diesem Kontext möglichst vermieden werden, damit sich Menschen leichter damit tun, sich mit rassistischen Handlungen auseinanderzusetzen.
Nach all dem Input brannte uns natürlich die Frage in den Köpfen: Was können wir jetzt gegen Rassismus tun?
Martin empfiehlt: Erstmal mehr informieren, die eigenen rassistischen Verhaltensweisen erkennen und lernen sie abzubauen. Und vor allem, immer zuhören, wenn jemand von seinen/ihren Rassismuserfahrungen berichtet. Und dann kann man auch Freunde, Familie und Bekannte besser daraufhin hinweisen.
Text: Simon Eisen
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² www.zdf.de/kinder/logo/sprache-gegen-rassismus-100.html
³ Abkürzung für Black, Indigenous and People of Color